Perioperativer Umgang mit Buprenorphin

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich in den USA eine Epidemie von Opioidkonsumstörungen (opioid use disorder, OUD) entwickelt, die zu katastrophalen Todesfällen infolge von Opioidüberdosierungen geführt hat. Die medikamentöse Behandlung der Opioidkonsumstörung (MOUD) ist wirksam, doch gibt es nach wie vor einen hohen Anteil an unbehandelten Personen. Bei Patienten mit MOUD kann in der perioperativen Phase eine optimale Analgesie erreicht werden. Anästhesisten und Schmerzmediziner können bei Patienten mit Verdacht auf OUD die Einleitung einer MOUD zum Zeitpunkt der Behandlung empfehlen und in Betracht ziehen; dies kann als Brücke zu einer umfassenden Behandlung dienen und letztlich Leben retten.

Buprenorphin ist ein Opioid mit einzigartigen Eigenschaften als partieller Agonist. Es handelt sich zwar nicht um ein neues Medikament, aber sein Einsatz hat zugenommen, da es beipsielsweise bei der Behandlung von Opioidkonsumstörungen häufiger verordnet wird. Mit der zunehmenden Verwendung von Buprenorphin werden immer mehr Patienten in der Chirurgie mit einer Buprenorphintherapie behandelt. Die chronische Einnahme von Buprenorphin führt zu einer ähnlichen Opioidtoleranz und Hyperalgesie wie bei Patienten, die eine chronische Opioidtherapie mit Vollagonisten erhalten. Darüber hinaus können die starke Affinität von Buprenorphin zum Mu-Opioid-Rezeptor und die lange Halbwertszeit dazu führen, dass andere vollagonistische Opioide bei akuten Schmerzen unwirksam sind. Schließlich kann das Absetzen einer Buprenorphintherapie bei einem Patienten, der mit Opioidabhängigkeit zu kämpfen hat, das Risiko eines Rückfalls erhöhen. All diese Faktoren stellen eine Herausforderung für den Chirurgen und das perioperative Schmerzteam dar, wenn es darum geht, zu entscheiden, wie akute Schmerzen nach einer Operation bei Patienten, die bereits eine Buprenorphintherapie erhalten, am besten behandelt werden können.

Der Vorstand der American Society of Regional Anesthesia and Pain Medicine, der American Society of Anesthesiologists, der American Academy of Pain Medicine, der American Society of Addiction Medicine und der American Society of Health System Pharmacists genehmigte die Einrichtung einer gesellschaftsübergreifenden Arbeitsgruppe zum Thema Opioidkonsumstörung, die die Bereiche Schmerzmedizin, Sucht und Pharmazie vertritt. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe haben eine umfangreiche Literaturrecherche durchgeführt. Es wurden mehrere Studientypen einbezogen und auf ihre Qualität hin überprüft. Zur Bewertung der Literatur und der Expertenmeinungen zu den einzelnen Themen wurde ein modifiziertes Delphi-Verfahren angewandt, bei dem ein 100-prozentiger Konsens zu den Aussagen und jeder Empfehlung erzielt wurde. Die Konsenserklärungen wurden dann von den Ausschussmitgliedern anhand der United States Preventive Services Task Force Grading of Evidence Guidelines bewertet. Zusätzlich zu den Konsensempfehlungen wurde ein narrativer Überblick über Buprenorphin, einschließlich der Pharmakologie und der gesetzlichen Bestimmungen, erstellt.1

Die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Leitlinien sind die folgenden:

1) Perioperative Versorger müssen in der Lage sein, eine Opioidkonsumstörung zu erkennen und zu behandeln.

2) Zu den bisherigen Strategien für den Umgang mit Buprenorphin bei chirurgischen Patienten gehörte die Empfehlung, Buprenorphin vor der Operation abzusetzen. In dieser Leitlinie wird empfohlen, die Buprenorphintherapie während der Operation fortzusetzen.

3) Kliniker sollten nach der Operation möglichst viele nicht-opioidbasierte Analgetika einsetzen, einschließlich der Erhöhung und/oder Aufteilung der Buprenorphin-Dosen, und bei Bedarf zusätzlich zu Buprenorphin eine Therapie mit Vollagonisten in Betracht ziehen.

3) Perioperative Versorger sollten in der Lage sein, bei Risikopatienten mit unbehandelter Opioidkonsumstörung postoperativ Buprenorphin zu verabreichen.

 

Um das Risiko eines OUD-Rückfalls zu verringern, sollte Buprenorphin im perioperativen Bereich nicht routinemäßig abgesetzt werden. Buprenorphin kann bei unbehandelten Patienten mit OUD und akuten Schmerzen im perioperativen Umfeld eingesetzt werden, um das Risiko eines Opioidrückfalls und des Todes durch Überdosierung zu verringern.

 

1.
Kohan L, Potru S, Barreveld AM, u. a. Buprenorphine management in the perioperative period: educational review and recommendations from a multisociety expert panel. Reg Anesth Pain Med. 2021;46(10):840-859. doi:10.1136/rapm-2021-103007

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