Muskel, Fett und Rückenschmerz
Chronische Rückenschmerzen sind eine der häufigsten Ursachen für eingeschränkte Lebensqualität und Arbeitsunfähigkeit weltweit. Trotz zahlreicher Therapieansätze bleibt die genaue Ursache oft unklar. Eine neue retrospektive Beobachtungsstudie aus Deutschland bringt nun einen spannenden Aspekt ins Spiel: die Verteilung von intermuskulärem Fettgewebe und geringe Muskelmasse, gemessen mittels Magnetresonanztomographie (MRT).
Traditionell wurde bei Rückenschmerzen vor allem auf strukturelle Veränderungen wie Bandscheibenschäden oder Wirbelverformungen geachtet. Doch in den letzten Jahren rückt die Muskelqualität zunehmend in den Fokus. Dabei geht es nicht nur um Muskelmasse, sondern auch um deren Zusammensetzung – insbesondere den Anteil von Fettgewebe innerhalb der Muskulatur, das sogenannte intermuskuläre Fett (IMAT).
IMAT ist ein Marker für Muskeldegeneration und metabolische Dysfunktion. Es kann Entzündungen fördern, die Muskelkraft verringern und die Beweglichkeit einschränken – alles Faktoren, die chronische Rückenschmerzen begünstigen könnten.
Die Forscher analysierten MRT-Daten von Patient:innen mit chronischen Rückenschmerzen, die in deutschen Kliniken untersucht wurden. Ziel war es, die Verteilung von IMAT und Muskelmasse in der Lendenwirbelsäule zu erfassen und mit Schmerzintensität, Funktion und weiteren klinischen Parametern zu korrelieren.
Die Studie war retrospektiv angelegt, das heißt, es wurden bereits vorhandene Daten ausgewertet. Dies erlaubt zwar keine kausalen Schlussfolgerungen, liefert aber wertvolle Hinweise auf Zusammenhänge.
Die Auswertung zeigte, dass Patient:innen mit höherem Anteil an intermuskulärem Fett in der Lendenregion signifikant stärkere Schmerzen und eingeschränktere Funktion aufwiesen. Gleichzeitig war die Muskelmasse bei diesen Personen reduziert.
Besonders auffällig war, dass diese Veränderungen nicht unbedingt mit dem BMI korrelierten. Das bedeutet: Auch normalgewichtige Personen können eine ungünstige Muskelzusammensetzung haben – ein Hinweis darauf, dass klassische Gewichtsmessungen allein nicht ausreichen, um das Risiko für chronische Rückenschmerzen zu beurteilen.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Qualität der Rückenmuskulatur ein entscheidender Faktor für chronische Beschwerden sein könnte. Für die klinische Praxis bedeutet das:
- MRT-basierte Muskelanalyse könnte ein wertvolles diagnostisches Werkzeug sein, um Risikopatient:innen frühzeitig zu identifizieren.
- Therapieansätze sollten gezielt auf Muskelqualität abzielen, etwa durch Krafttraining, funktionelle Übungen und Ernährungsinterventionen.
- Standardisierte Messungen von IMAT könnten helfen, den Therapieerfolg objektiv zu bewerten.
Wie bei allen retrospektiven Studien gibt es Einschränkungen: Die Daten erlauben keine Aussagen über Ursache und Wirkung. Zudem war die Stichprobe begrenzt und möglicherweise nicht repräsentativ für die gesamte Bevölkerung mit Rückenschmerzen.
Dennoch liefert die Studie wichtige Impulse für die Forschung und Therapie. Sie zeigt, dass Rückenschmerzen nicht nur ein Problem der Wirbelsäule, sondern auch der Muskulatur sind – und dass Fettgewebe dabei eine zentrale Rolle spielt.
Diese deutsche MRT-Studie erweitert unser Verständnis von chronischen Rückenschmerzen erheblich. Sie zeigt, dass nicht nur die Menge, sondern auch die Zusammensetzung der Muskulatur entscheidend ist. Intermuskuläres Fett könnte ein neuer Biomarker für Schmerzrisiko und Therapieerfolg sein.
Für Betroffene bedeutet das: Bewegung, gezieltes Training und Muskelpflege sind nicht nur gut für die Figur – sie könnten auch der Schlüssel zu einem schmerzfreieren Leben sein.
References
- PMID: 40487774.