Neue Therapieansätze bei Schleudertrauma
Chronische Beschwerden nach einem Schleudertrauma – medizinisch als „Chronic Whiplash-Associated Disorders“ (WAD) bezeichnet – gehören zu den komplexesten Herausforderungen in der Schmerzmedizin. Viele Betroffene leiden über Jahre hinweg unter Nackenschmerzen, Bewegungseinschränkungen und psychischen Belastungen. Eine neue randomisierte klinische Studie hat nun untersucht, ob ein multimodaler Therapieansatz bestehend aus Schmerzaufklärung, Stressbewältigung und kognitiv ausgerichteter Bewegungstherapie wirksamer ist als herkömmliche Behandlungen.
Bei chronischem WAD sind die Ursachen der Beschwerden häufig nicht mehr rein körperlich. Vielmehr spielen neurologische Veränderungen, Stressreaktionen und negative Schmerzüberzeugungen eine zentrale Rolle. Klassische Physiotherapie oder medikamentöse Ansätze greifen hier oft zu kurz. Die neue Studie setzt deshalb auf ein biopsychosoziales Modell, das Körper und Geist gleichermaßen berücksichtigt.
Die Forscher teilten die Teilnehmenden in zwei Gruppen auf: eine Kontrollgruppe mit Standardbehandlung und eine Interventionsgruppe, die ein speziell entwickeltes Programm erhielt. Dieses bestand aus:
- Pain Science Education (PSE): Die Teilnehmenden lernten, wie Schmerz entsteht, wie das Nervensystem reagiert und wie Gedanken und Emotionen den Schmerz beeinflussen können. Ziel war es, Angst vor Bewegung und Schmerz zu reduzieren.
- Stressmanagement: Techniken wie Achtsamkeit, Atemübungen und kognitive Umstrukturierung sollten helfen, Stressreaktionen zu erkennen und zu regulieren – ein wichtiger Faktor bei chronischem Schmerz.
- Cognition-Targeted Exercise Therapy: Anders als klassische Übungen wurden Bewegungsaufgaben mit kognitiven Herausforderungen kombiniert. So sollten nicht nur Muskeln, sondern auch das Gehirn trainiert werden, um Bewegungsangst und Schonverhalten zu überwinden.
Nach mehreren Wochen zeigte sich, dass die Interventionsgruppe signifikant bessere Ergebnisse erzielte als die Kontrollgruppe:
- Schmerzintensität nahm deutlich ab.
- Beweglichkeit und Funktion verbesserten sich messbar.
- Psychologische Parameter wie Angst, Katastrophisierung und Depressivität gingen zurück.
- Die Teilnehmenden berichteten von einem höheren Vertrauen in den eigenen Körper und einer besseren Lebensqualität.
Diese Effekte hielten auch über den Beobachtungszeitraum hinweg an – ein Hinweis auf die Nachhaltigkeit des Ansatzes.
Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass Schmerz nicht nur ein körperliches, sondern auch ein kognitives und emotionales Phänomen ist. Indem Patient:innen verstehen, wie Schmerz funktioniert, verlieren sie die Angst davor. Stressmanagement hilft, das Nervensystem zu beruhigen, und gezielte Bewegungstherapie fördert die Wiederherstellung von Vertrauen und Funktion.
Besonders bemerkenswert ist die Kombination aus Wissen, Selbstwirksamkeit und Bewegung. Diese drei Elemente wirken synergistisch und können die Spirale aus Schmerz, Angst und Vermeidung durchbrechen.
Der Ansatz eignet sich besonders für Menschen mit chronischen Nackenschmerzen nach einem Unfall, die unter anhaltenden Beschwerden trotz klassischer Therapie leiden. Auch Personen mit hoher psychischer Belastung oder Bewegungsangst könnten profitieren.
References
- PMID: 40794407.